17373_Bunsenmagazin_UHH_2014 - page 8

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Arnold Eucken an der Technischen Hoch-
schule Breslau. Schon 1927 kehrte er aber
nach Berlin zurück und wurde Assistent in
dem von Fritz Haber geleiteten Kaiser-Wil-
helm-Institut für Physikalische Chemie und
Elektrochemie. Hier befreundete er sich
mit dem fast gleichaltrigen
Karl-Friedrich
Bonhoeffer,
der sich gerade habilitierte und
Extraordinarius für Physikalische Chemie
wurde, und mit dem ungarischen Kollegen
Ladislaus Farkas.
Gemeinsammit Bonhoef-
fer entdeckte er 1928 die von Theoretikern
schon vorausgesagte Existenz der zwei
Modifikationen von molekularemWas-
serstoff: Ortho- und Parawasserstoff, mit
parallelen bzw. antiparallelen Kernspins.
Im Jahre 1931 habilitierte sich Harteck mit
einer Arbeit über atomaren Sauerstoff.
Nach einem Besuch Ernest Rutherfords in
Berlin hatte Harteck das Bedürfnis, sich
auf kernphysikalischem Gebiet weiter zu
bilden, und Haber erwirkte von Ruther-
ford die Aufnahme Hartecks 1933/34 am
Cavendish-Laboratorium der Universität
in Cambridge. Gemeinsammit Ladislaus
und Adalbert Farkas entdeckte Harteck die
Ortho-/Para-Modifikation auch von schwe-
remWasserstoff und gemeinsammit Mark
Oliphant und Rutherford das Tritium. Der
Rückkehr nach Berlin im April 1934 stand
imWege, dass dort keine Stelle mehr für
Harteck frei war. Aber nun erreichte ihn der
Ruf zur zunächst vertretungsweisen und
schließlich endgültigen Übernahme der
ordentlichen Professur in Hamburg. Über
die Arbeiten in Hamburg, insbesondere
die Teilnahme am deutschen Uranprojekt
(„Uranverein“) wird weiter unten berichtet.
Nach Kriegsende wurde Harteck in den
Jahren 1945/46 zusammen mit einer Reihe
anderer auf dem deutschen Kernenergie-
Projekt tätigen bedeutenden Forschern
im britischen Farm-Hall interniert (Erich
Bagge, Kurt Diebner, Walther Gerlach, Otto
Hahn, Werner Heisenberg, Horst Korsch-
ning, Max von Laue, Carl Friedrich von
Weizsäcker, Karl Wirtz). Während Hartecks
Abwesenheit wurde 1946 der Assistent
Klaus Alber Suhr
kommissarischer Instituts-
leiter (geb. 1912 in Warstade, Chemiestu-
dium in Hamburg und München, ab 1939
Mitarbeiter bei Harteck in Hamburg, 1943
Promotion bei Harteck, bis 1951 Assistent,
1944/45 Mitarbeit am Uran-Projekt, später
Forschungsleiter bei einer Erdölfirma
(Mobil) in Hamburg, gest. 2005). Nach
sechs Monaten kamen die Internierten
zurück, und Harteck nahm Ende Januar
1946 die Institutsgeschäfte wieder auf. Er
war 1946/47 Dekan der Mathematisch-
Naturwissenschaftlichen Fakultät, 1947/49
Vizepräsident der Joachim-Jungius-Gesell-
schaft der Wissenschaften zu Hamburg
und 1948/50 Rektor der Universität. Ab
1951 trug er sich mit der Absicht, in die
USA auszuwandern, wegen der zunächst
ungünstigen Bedingungen zur Forschung
in Deutschland, insbesondere auf kern-
physikalischem Gebiet. Er hielt sich jeweils
längere Zeit am Rensselaer Polytechnic Ins-
titute in Troy/New York auf, bis er endgültig
zum 30. September 1952 die Hamburger
Professur aufgab und in Troy „Distinguis-
hed Research Professor“ wurde. In den USA
arbeitete er zunächst an kerntechnischen
Entwicklungen, dann interessierten ihn
zunächst die Erd-, später die Venus- und
die Mars-Atmosphäre und schließlich der
„Rote Fleck“ auf der Jupiter-Oberfläche. Mit
70 Jahren zog er sich schließlich in ein Haus
in Santa Barbara/Kalifornien zurück. In den
USA ebenso wie in Europa wurde er durch
zahlreiche Preise und Ernennungen geehrt.
Am 21. Januar 1985 ist er in Santa Barbara
gestorben.
Harteck widmete sich in Hamburg vor
dem Krieg u.a. der Reaktivität von Wasser-
stoff- und Sauerstoffatomen, photoche-
mischen Aspekten, den Eigenschaften von
künstlich erzeugtem radio-aktiven Arsen
(u.a. dies mit Friedrich Knauer, s. unter
Stern) und erstmals auch der Isotopen-
trennung in einem Trennrohr bzw. in einer
Gleichstrom-Glimmentladung, gemeinsam
mit dem wissenschaftlichen Assistenten
Wilhelm Groth
(geb. 1904, Promotion 1927
bei Walther Gerlach in Tübingen, ab 1932
wiss. Assistent in Hamburg, dort 1938
Habilitation/Privatdozent für Physikalische
Chemie, 1945 apl. Professor, 1948 a.o. Pro-
fessor, 1950-1972 Ordinarius für Physikali-
sche Chemie an der Universität Bonn, 1956
Gründungsmitglied und erster Vorsitzender
des wiss. Beirats der Kernforschungsanlage
Jülich, gest. 1977). Groth war zunächst der
Photochemie verhaftet (z.T. mit Suess) und
widmete sich später sehr der Gaszentrifuge.
Harteck führte ein kleines Privatseminar
über neueste Entwicklungen der Kernphy-
sik durch, u.a. mit Groth,
J. Hans D. Jensen
(1907-1973, Physik-Assistent bzw. Dozent
in Hamburg, ab 1949 ord. Professor für Phy-
sik in Heidelberg, 1963 Nobelpreis für Phy-
sik) und
Hans E. Suess
(geb. 1909 in Wien,
Promotion bei Philipp Gross in Wien, 1938-
50 Mitarbeiter am Institut für Physikalische
Chemie in Hamburg, 1940 Habilitation in
Physikalischer Chemie, 1939-45 Mitarbeit
am Uranprojekt, ab 1950 in den USA, 1958-
77 Professor für Geochemie, University
of California, San Diego, gest. 1993). Im
Anschluss an die künstliche Kernspaltung
durch Hahn, Strassmann und Meitner
hatten Frédéric Joliot und Mitarbeiter im
April 1939 pro Urankernspaltung eine
durchschnittliche Zahl von 3,5 Neutronen
festgestellt. Hieraus ergab sich die Mög-
lichkeit einer Kettenreaktion mit gewaltiger
Energie-Freisetzung. In einem Brief an das
Heereswaffenamt wiesen Harteck und
Groth auf die möglichen militärischen und
politischen Konsequenzen hin. Zugleich
hatten sich in dieser Sache die Göttinger
Physiker Wilhelm Hanle und Georg Joos an
das Reichserziehungsministerium gewandt.
Sogleich gründete der Leiter der Fachsparte
Physik des Reichsforschungsrates,
Abraham
Esau,
den sogenannten „Uranverein“,
formal „Arbeitsgemeinschaft für Kernphy-
sik“ bezeichnet, einen losen Zusammen-
schluss deutscher Kernphysiker mit dem
Ziel einer eventuellen technischen Nutzung
der Kernenergie. Die Leitung des Projekts
wurde dann („Zweiter Uranverein“) vom
Heereswaffenamt übernommen und
Kurt
Diebner
(1905-1964, Promotion in Physik
1931, ab 1934 in der Forschungsabteilung
des Heereswaffenamts tätig) übertragen.
Auch in den USA (Brief Albert Einsteins an
den Präsidenten) und in der Sowjetunion
erkannte man die Bedeutung der Angele-
genheit, und entsprechende Entwicklungen
wurden initiiert.
Harteck und seine Mitarbeiter (beson-
ders Groth, Suess, Suhr, Knauer und als
Kooperator auch Jensen) machten sich
sogleich an die Konstruktion einer Uran-
maschine. Für eine kontrollierte Ketten-
reaktion in einer „Uranmaschine“ (heute
„Atomreaktor“ oder „Kernreaktor“) war
eine gewisse Mindestmenge an Uran(oxid)
erforderlich, wobei günstigere Aussichten
bestanden, wenn das vorliegende Material
an dem eigentlich spaltbaren Isotop
235
U
angereichert war (natürliches Material
enthält nur 0,711 % davon). Zur Therma-
lisierung der beim Zerfall entstehenden
hochenergetischen Neutronen war ein
Moderator erforderlich, der Atome niedri-
gen Atomgewichts enthielt. Hierfür kamen
Wasser, schweres Wasser (D
2
O), reiner
Kohlenstoff oder auch festes Kohlendioxid
(„Trockeneis“) in Frage. Harteck erhielt von
verschiedenen Quellen 185 kg Uranoxid
und 15 t Trockeneis. Im Gegensatz zu an-
deren Vorstellungen, nach denen Uranver-
bindung und Moderator ein Mischsystem
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