17373_Bunsenmagazin_UHH_2014 - page 10

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dozent und 1949-54 apl. Professor für
Physikalische Chemie in Göttingen. Nach
Euckens Tod 1950 war Wicke bis 1953 mit
der kommissarischen Leitung des Instituts
betraut. Im Jahre 1954 wurde er auf den
Lehrstuhl für Physikalische Chemie in Ham-
burg berufen. Da das Institutsgebäude an
der Jungiusstraße relativ klein war und er
eine größere Zahl von Mitarbeitern an sich
zog, erwirkte er einen Anbau, der das Phy-
sikalisch-Chemische Praktikum aufnahm.
Trotzdem war die räumliche Enge spürbar,
obgleich Räume im Dachboden und ins-
besondere im Keller als Labor mitgenutzt
wurden. Wicke hatte bewirkt, dass Ludwig
Holleck eine dauerhafte Stelle als Diäten-
dozent in Hamburg bekam; er wollte ihm
nun zwei, drei Laborräume verschaffen und
beantragte daher einen kleinen Aufbau
am Institut (Größenordnung damals
30.000 DM). Nachdem ihm dies abgelehnt
wurde, nahm er im Jahre 1959 den an ihn
ergangenen Ruf auf den entsprechenden
Lehrstuhl an der Universität Münster an,
den er bis zur Emeritierung 1982 inne-
hatte. Er war 1975/76 Erster Vorsitzender
der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für
Physikalische Chemie. Am 7. März 2000 ist
Wicke gestorben.
Wickes Interessen reichten von den
absoluten Grundlagen der Physikalischen
Chemie bis zur technischen Anwendung.
Dies spiegelt sich in den Teilgebieten seiner
Assistenten und Doktoranden, von denen
eine ganze Reihe ihrerseits später wieder
Professoren waren. Dem aus der Harteck-
Zeit verbliebenen H.G. Hertz (siehe oben)
wurde von Wicke empfohlen, sich die noch
sehr junge Methode der Kernmagnetischen
Resonanz (NMR) anzueignen, um Struk-
turen wässriger Lösungen zu studieren.
Hertz begab sich für einige Monate nach
Urbana/Illinois (USA) zu H. G. Gutowsky,
einem der Pioniere der Methode, und baute
anschließend mit der Feinmechanischen
Werkstatt (Hans Reiser, s.o.) in Hamburg
ein NMR-Spektrometer; das große Perma-
nentmagnet-Joch wurde bei der Ham-
burger Hochbahn magnetisiert, die allein
die erforderlichen hohen Gleichströme
bereitstellen konnte. Wicke brachte zwei
Assistenten mit aus Göttingen:
Fritz Fet-
ting
(geb. 1926 in Itzehoe, Promotion 1955
in Göttingen bei E. Wicke, Dissertation über
Gas-Wirbelschichten, 1955/56 Assistent
am Hamburger Institut, 1957-66 Ober-
ingenieur bei G. Schiemann am Institut
für Technische Chemie, Tech. Hochschule
Hannover, 1961 Habilitation in Hannover,
1966-91 Professor an der Techn. Universität
Darmstadt) und
Kurt Hedden
(geb. 1927,
Promotion 1954 bei E. Wicke in Göttingen,
Dissertation über Kohle-Verbrennung
und –Vergasung, 1955-59 Assistent am
Hamburger Institut, 1959 mit E. Wicke an
die Univ. Münster, dort 1961 Habilitation,
1964-72 Fa. Printsch Bamag AG, dort auch
Geschäftsführer. 1966-72 Professor Tech.
Hochschule Darmstadt, 1972-92 ordentl.
Professor am Engler-Bunte-Institut der
Universität Karlsruhe, 1981-83 Dekan der
Fakultät für Chemieingenieurwesen und
Verfahrenstechnik, 1992 emeritiert, gest.
2010). Von den Hamburger Doktoranden
seien genannt
Theodor Ackermann
(geb.
1925 in Rostock, 1956 Promotion, Disser-
tation über Hydratation der OH
--
-Ionen aus
spezifischen Wärmemessungen, 1954-59
Assistent in Hamburg, 1959-70 Assis-
tent bei Wicke bzw. Dozent an der Univ.
Münster, dort 1965 Habilitation, 1970-93
ord. Professor am Institut für Physikalische
Chemie der Universität Freiburg, 1993 eme-
ritiert, gest. 2004),
Wolfhart Seidel
(geb.
1929, Chemiestudium in Kiel, Würzburg,
Hamburg, Promotion 1959, Dissertation
über Siliciumabscheidung aus SiCl
3
H/
H
2
-Gemischen bei hohen Temperaturen,
1959-66 Wiss. Assistent bei Hans Martin
in Kiel, 1966 Habilitation/venia legendi für
Physikalische Chemie, 1968 Professor in
Kiel, 1970 Berufung auf den Lehrstuhl für
Physikalische Chemie, Universität Gießen,
1997 emer.),
Jürgen Franck
(geb. 1930, Pro-
motion 1959, Dissertation über spezifische
Wärme von Titanhydrid, 1963-1995 Profes-
sor für Physik an der University of Alberta,
Edmonton/Canada, gest. 2004),
Peter Hugo
(geb. 1930, Physik-Studium Univ. Hamburg,
1960 Promotion, Dissertation über Isoto-
penaustausch im Diffusionsgegenstrom,
1960-69 Wiss. Assistent bei Ewald Wicke
in Münster, dort 1968 Habilitation, venia
legendi für Physikalische Chemie, 1969-73
Ltd. Chemiker in Oelfabrik DEOGRANGEL,
Hamburg, 1971 Habilitation im Fachgebiet
Technische Chemie an der Univ. Hamburg,
1973 Berufung auf den Lehrstuhl für
Technische Chemie an der Technischen
Universität Berlin, 1996 emeritiert),
Dieter
Vortmeyer
(geb. 1932, Promotion 1958,
Dissertation über Zündzonen heterogener
Reaktionen in gasdurchströmten Körner-
schichten,1959-62 Postdoc am Imperial
College, London, 1962-66 im Fach Maschi-
nenwesen, Technische Thermodynamik der
TU Stuttgart, dort 1966 Habilitation; 1968
Berufung als ord. Professor für Chemi-
sche Verfahrenstechnik, Thermodynamik,
Technische Universität München, emer.
1998),
Hans-Harald Kopper
(geb. 1930,
Promotion 1958, Dissertation über Wir-
kung halogenhaltiger Gaszusätze auf die
CO
2
-Vergasung von Kohle),
Felix Schreiner
(Promotion 1959, Dissertation über Einfluss
aliphatischer Substituenten auf partielle
Molwärmen in Wasser gelöster Stoffe, spä-
ter Wissenschaftler am Argonne National
Institute, Argonne/Illinois/USA),
Klaus Otto
(geb. 1929, Promotion 1959, Dissertation
über Hydrierung des Urans und Struktur
des Uranhydrids, später Wissenschaftler bei
FORD, Detroit/USA),
Albrecht Küssner
(Pro-
motion 1959, Dissertation über Metallar-
tige Hydride als Wasserstoffüberträger,
später Wissenschaftler bei BASF),
Gero Lüth
(Promotion 1959, Dissertation über Reduk-
tion von Eisenerzen mit CO über abgeschie-
denen Spaltungskohlenstoff als Zwischen-
stufe),
Jürgen Freundlich
(Mechanismus der
Boudouardreaktion/ Adsorptionsverhältnis-
se und
14
C-Isotopenaustausch).
In der Ära Ewald Wicke setzte sich die
mittägliche Teerunde fort; einige der
älteren Teilnehmer pflegten am Rosenmon-
tag nach Köln zu pilgern, um den „Zug“ zu
sehen. Dies gab wohl den Anstoß dafür,
dass nunmehr jährlich in allen Räumen
des Instituts ein Karnevals-/Faschingsfest
gefeiert wurde, wobei alle Institutsmit-
glieder verkleidet waren und auch – um
ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis
herzustellen – vornehmlich weibliche Gäs-
te mitgebracht wurden. Auch Ewald Wicke
trat verkleidet auf; zwar war er etwas steif,
aber seine temperamentvolle Frau bewirkte
eine gelöste Atmosphäre.
Nach demWeggang Wickes waren die
noch zu beendenden Doktorarbeiten bald
abgeschlossen. Es folgte wieder eine etwas
ruhigere Phase. Schon in der Wicke-Ära
oder danach promovierten auch mehrere
Schüler von Ludwig Holleck: Herrmann
Schmidt (1954, Reduktions-Mechanismus
der isomeren Dinitrobenzole). Lothar Plü-
mer (1956, Kathodische Reduktion aromati-
scher Nitroverbindungen), Bertel Kastening
(1958, Kinetik der Elektrodenprozesse bei
Carbonyl- und Nitrogruppen-Reduktion an
Quecksilberelektroden und Einfluss von
Inhibitoren), Brahmajirao Sukuru (1960,
Konstitutions-Einfluss auf die Ester-Versei-
fung mit der polarographischen Methode),
Ottokar Lehmann (1960, Polarographisches
Verhalten des Ninhydrins und ähnlicher
Dicarbonylverbindungen), Hans Gartmann
(1963, Die Rolle der Adsorption bei der
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...60
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