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antiparallele Kernspins, mit para. Da das
Pauli-Prinzip vorschreibt, dass sich die Ge-
samtwellenfunktion bei Teilchenaustausch
antisymmetrisch verhalten soll, müssen
die Rotationszustände gerader (positiver,
symmetrischer) Parität mit den Spinfakto-
ren ungerader (negativer, asymmetrischer)
Parität kombinieren, d.h. o-H
2
besetzt die
ungeraden (J = 1, 3, 5, ...); hingegen p-H
2
die
geraden Rotationszustände (J = 0, 2, 4, ...).
Die statistischen Gewichte betragen 3 und
1, d.h. bei normalen Temperaturen verhält
sich o : p wie 3 : 1.
Die Zahl der energetischen Übergänge wird
durch sog. Auswahlregeln eingeschränkt.
Für Zustände unterschiedlicher Symmetrie
gilt das Übergangverbot
antisym sym
d.h. der Übergang zwischen diesen beiden
Zuständen ist verboten. Wie Dennison
1927 als Erster erkannte, lassen sich Mole-
küle dieser Art als eine Mischung von
2 Modifikationen auffassen, den ortho-
und para-Kernspinisomeren.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die
obige Auswahlregel wird nicht vollkommen
streng befolgt: über Wochen und Monate
findet ein allmählicher Übergang statt.
Nach Untersuchungen von Farkas und
Harteck sowie Clusius und Bartholomé
wird dieser durch Aktivkohle und eine Reihe
paramagnetischer Substanzen, wie O
2
, NO
und gelösten Ionen, katalysiert.
Mit tiefen Temperaturen in Gegenwart
eines solchen Katalysators gelingt die Her-
stellung von reinem p-Wasserstoff. Beim
Aufwärmen besetzt dieser nur die geraden
Rotationszustände mit J = 0, 2, 4, ... .
Wegen der Kleinheit des magnetischen
Protonenmoments wurden hohe Maßstäbe
an die Durchführung der Experimente ge-
legt. Das SGE wurde im Prinzip beibehalten,
jedoch in vielen Einzelheiten bedeutend
verfeinert.
Prinzip ist die auf das zu bestimmende
magnetische Moment μ im inhomogenen
Magnetfeld mit dem Gradienten der mag-
netischen Induktion
∂z
∂B
wirkende Kraft
K = μ
∂z
∂B
cos
D
,
D
=
μ,B
welche der Aufspaltung proportional ist.
Im Frühjahr 1932 wurde mit der Neukon-
struktion der Apparatur begonnen, an der
Otto Robert Frisch, Neffe von Lise Meitner,
beteiligt war, der 1930 zumMolekular-
strahlteam gestoßen war. Estermann weilte
zu dieser Zeit als Stipendiat der Rockefeller-
Foundation an der University of California.
Die Experimentieranordnung hatte folgen-
de Merkmale:
x
sehr enge Spalte
x
große Feldinhomogenität
x
langer Strahlweg im inhomogenen
Magnetfeld
x
empfindliche Detektoren
x
gutes Vakuumsystem.
Dennoch ergaben sich gewisse Fehlfunk-
tionen von Apparaturteilen, die dazu
führten, dass im November 1932 eine neue
Apparatur von im Grunde gleichem Design,
jedoch mit einigen Veränderungen in der
Dimensionierung und mit technischen
Verbesserungen aufgebaut wurde wie
x
Vergrößerung des Magnetpolabstands
von 0,5 auf 1 mm, unter Aufrechterhal-
tung von Feldstärke und Inhomogenität
x
Verbesserung der Manometer-Detekto-
ren: Verkleinerung und besseres Signal/
Rauschen
x
Verbesserung des Vakuumsystems durch
in den USA gewonnene Erfahrungen.
Es galt, die beiden Unbekannten, Rotations-
und Kernspinaufspaltung, für sich getrennt
zu bestimmen. Für angenommene Werte
sollten dann Schemata berechnet und mit
dem Experiment verglichen werden.
Zunächst wurde am kernspinfreien p-H
2
die Rotationsaufspaltung bestimmt: Bei
sehr tiefen Temperaturen geht Wasserstoff
praktisch quantitativ in den drehimpuls-
losen J=0-p-H
2
über. Beim Erwärmen auf
Zimmertemperatur wird der J=2-Zustand
zu 46,1% besetzt (höhere J vernachlässig-
bar) und damit auch die Rotationsaufspal-
tung zugänglich, wonach ein Aufspaltungs-
muster aus 5 äquidistanten (= S
R
) Linien
vorausgesagt wurde.
Nach Einweisung des Teams in die Herstel-
lung von flüssigemWasserstoff wurde etwa
ein Liter flüssiger Wasserstoff hergestellt,
aus dem wiederummittels einer zufällig
katalytisch sehr wirksamen Aktivkohle eine
entsprechende Menge p-H
2
erzeugt werden
konnte, der bei L-N
2
-Temperatur in beson-
ders reinen Glasgefäßen für die magneti-
schen Experimente aufbewahrt wurde.
Zur Bestimmung der Kernspinaufspaltung
musste o-H
2
zugemischt werden. Dies
geschieht am einfachsten durch Abkühlen
auf LO
2
-Temperatur, bei der die J=0- und
J=1-Zustände praktisch gleichstark besetzt
und höhere Rotationszustände vernachläs-
sigbar sind. Wasserstoff besteht wegen der
statistischen Gewichte 1 : 3 bei 90 K aus
25% p-H
2
und 75% o-H
2
.
Überraschendes Ergebnis der Ablenkungs-
experimente war ein Abweichen von der
theoretischen Vorhersage: an Stelle der
Rotationsaufspaltung von 3
P
N
wurde eine
solche von etwa 0,8-0,9
P
n
beobachtet, d.h.
im vorhergesagten Aufspaltungsschema
mussten die Abstände zu den Rotations-
satelliten stark verengt werden, und das
Protonenmoment musste gegenüber dem
Diracschen Wert auf das 2-3-fache ver-
größert werden, um das Aufspaltungsbild
richtig wiederzugeben.
Die experimentellen Ergebnisse mit der
neuen Apparatur ergaben schließlich ein
Rotationsmoment von 0,85
P
N
und einen
Protonenmoment von 2,5
P
N
, bei einem
Fehler von 10%, haupsächlich zurückzu-
führen auf die ungenaue Bestimmung der
Feldinhomogenität. Das überraschende
Ergebnis, vorgestellt auf der Solvay-Konfe-
renz 1933, war, dass es nicht möglich ist,
die Diracsche Theorie vom Elektron auf das
Proton zu übertragen, indemman einfach
die Elektronenmasse durch die Protonen-
masse ersetzt.
Die 3 Hamburger haben nicht gezögert,
ihre spektakulären Ergebnisse der Öffent-
lichkeit mitzuteilen. Nach einem kurzen
Artikel in
Nature
folgten ausführlichere
Darstellungen in der
Zeitschrift für Physik:
So wurde auch Pauli eines Besseren belehrt,
der vorher in schulmeisterlicher Manier,
rechthaberisch auftretend, von einem
überflüssigen, zeitvergeudenden Experi-
ment gesprochen hatte, da das Ergebnis
bereits bekannt sei. Die von Estermann,
Frisch und Stern erstmals durchgeführte
Bestimmung des anomalen magnetischen
Moments des Protons hat bis heute keine
zufriedenstellende Erklärung gefunden. Sie
deutete bereits darauf hin. dass das Proton
im strengen Sinne kein Elementarteilchen
ist, sondern aus 2
up-
Quarks und einem
down-
Quark besteht. 10 Jahre später wurde
die Entdeckung mit der Verleihung des
Nobelpreises an Otto Stern gewürdigt.