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noch Verdruss. Zwar hatte H. A. Lorentz das
beim normalen Zeeman-Effekt auftreten-
de Zeeman-Triplett klassisch erklärt, was
nunmehr nur noch quantentheoretisch
übersetzt werden musste. Probleme
bereitete jedoch der, wie man heute sagt,
bei Nicht-Singulettatomen auftretende
anomale Zeeman-Effekt mit seiner kompli-
zierteren Aufspaltung. Wolfgang Pauli soll
einmal ganz niedergeschlagen auf einer
Parkbank in Kopenhagen gesessen haben.
Auf die Frage, was ihn so bedrücke, soll
er geantwortet haben:
„Wie soll man sich
angesichts des anomalen Zeeman-Effekts
nicht unglücklich fühlen."
Alfred Landé, der
bei Sommerfeld in München promoviert
und bei Born in Frankfurt habilitiert hatte,
arbeitete an der Aufspaltung der Spektren
imMagnetfeld und löste in Konkurrenz zu
Sommerfeld, Paschen und Back das Rätsel
des anomalen Zeeman-Effekts durch Ein-
führen des nach ihm benannten g-Faktors.
Hierbei fand er heraus, dass die experimen-
tellen Daten mit seinen halbempirischen
Formeln nur dann übereinstimmten, wenn
er in der Formel für den Drehimpuls das
(Quantenzahl)
2
durch Quantenzahl ×
(Quantenzahl+1) ersetzte. Außerdem
waren die Drehimpulse oft ein Vielfaches
von
˥
/2 und nicht von
˥
, so als ob offenbar
halbe Quanten auftraten. Für die Erklärung
des ersteren benötigte man die Quanten-
mechanik, für das letztere den Spin.
Im November 1925 machten zwei junge
Holländer, George Eugene Uhlenbeck (1900
-1988) und Samuel Abraham Goudsmit
(1902 -1978), die beide bei Paul Ehrenfest
in Leyden studiert hatten, die Entdeckung,
dass das bis dahin als Punktladung ange-
sehene Elektron einen Eigendrehimpuls
besitzt, der ein ganzzahliges Vielfaches von
˥
/2 ist. Während für den Bahndrehimpuls
und das ihm entsprechende magnetische
Moment der
magnetomechanische Paralle-
lismus
gilt
gilt für den Zusammenhang zwischen Ei-
gendrehimpuls und dem ihm entsprechen-
den magnetischen Moment die
magneto-
mechanische Anomalie,
d.h. Verdoppelung.
was wiederum aus der Diracschen relati-
vistisch-wellenmechanischen Theorie des
Elektrons folgte.
Ralph Kronig – später Ralph de Laer Kronig
– (1904 -1995) wurde als Kind ungarisch-
stämmiger Amerikaner in Dresden geboren,
genoss dort auch seine Schulausbildung
und ging zum Studium nach New York an
die Columbia University. 1925 erhielt er
dort seinen PhD und wurde im gleichen
Jahr Dozent und 1927 Assistant Professor.
Gleichfalls wie Uhlenbeck mit Fermi be-
freundet, entwickelte er bereits im Januar
1925 als Doktorand die Vorstellung vom
Elektronenspin. Pauli hatte damals bereits
eine starke Reputation und warf diese
auch entsprechend in die Waagschale.
Unglücklicherweise legte Kronig Pauli seine
Überlegungen zur kritischen Einsicht vor,
die von Heisenberg und Pauli strikt abge-
lehnt wurden. Pauli unterlief ein schwerer
Fehler, indem er Kronig seine Hypothese
ausredete. Als Paulis Kritik Uhlenbeck und
Goudsmit bekannt wurde, wollten sie ihr
bereits eingesandtes Manuskript wieder
zurückziehen. Doch Ehrenfest überredete
sie, es nicht zu tun, da sie es sich aufgrund
ihrer Jugend leisten könnten, eine unortho-
doxe Arbeit zu veröffentlichen. Ihr Artikel
erschien in
Die Naturwissenschaften
und
beide gelten allgemein als die Entdecker
des Elektronenspins, obwohl Kronig mit
gleichem Fug und Recht als unabhängiger
Entdecker genannt werden muss. Unter
Physikern kreiste der Spruch
"Der Kronig hätt' den Spin entdeckt hätt'
Pauli ihn nicht abgeschreckt!"
Alle drei haben den eigentlich wohlverdien-
ten Nobelpreis aber nicht erhalten.
Pauli wurde das "Gewissen der Physik"
genannt. Als Perfektionist legte er alle
Schwachstellen nicht-ausgegorener
Theorien offen. Seine direkte Kritik konnte
zuweilen verletzend sein. Er spielte sich
in vielen Fällen zum Zensor auf. Doch viel-
leicht war er in einer Zeit, in der die Physik
zum Teil völlig unkonventionelle Wege
ging, als Kontrollinstanz unverzichtbar. Als
solche musste aber auch ein gelegentliches
Versagen einkalkuliert werden wie im Falle
Kronig und wie sich später noch bei Stern,
Frisch und Estermann zeigen wird.
Stern als auch Gerlach waren beide starke
Raucher und bevorzugten neben dem Pfei-
fen- vor allem das Zigarrenrauchen. In den
vielen Stunden, die sie mit der Durchfüh-
rung ihrer Experimente verbrachten, wuchs
der Verbrauch an Tee und Kakao stark an
und es wurde sehr viel geraucht. Von Stern
stammt die folgende Episode:
„Gerlach
entfernte den Detektorflansch, konnte aber
keine Spur von einem Silberniederschlag
entdecken und übergab mir den Flansch.
Während Gerlach mir über die Schulter blick-
te und ich genau die Platte musterte, waren
wir überrascht zu sehen, dass allmählich die
Spur des Strahlniederschlags auftauchte.
…..Schließlich erkannten wir, dass dies auf
unsere billigen Zigarren zurückzuführen war,
die ich mir als Extraordinarius wegen meines
bescheidenen Gehalts nur leisten konnte
und die eine Menge Schwefel enthielten. Auf
dieseWeise wurde das Silber in Silbersulfid
überführt, was besser sichtbar war.“
Ob
wahr oder nicht, auf jeden Fall haben Stern
und Estermann zu Entwicklungsmethoden
gegriffen, um die Niederschläge besser
sichtbar zu machen.
Sterns Position in Rostock war aber nur eine
Zwischenstation, denn gegen Ende 1922
erhielt er einen Ruf auf das Ordinariat für
Physikalische Chemie der Universität Ham-
burg, welches nach Ablösung des mit Max
Volmer besetzten Extraordinariats errichtet
worden war, und die Ernennung zum Direk-
tor des Instituts für Physikalische Chemie.
In Frankfurt und Rostock war Geschichte
der Quantentheorie geschrieben worden.
Sie fand ihre Würdigung an der Johann-
Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt
amMain, wo am Physikalischen Institut
eine Gedenktafel montiert und imVorraum
des großen Hörsaals der Physik am Campus
Riedberg ein Gemälde der beiden Forscher
von Jürgen Jaumann aufgehängt wurde.
Zweite Experimentelle Phase:
Ordinarius in Hamburg, 1923-33
Hamburgs langer Weg zur Universität
In Hamburg war es ein langwieriger und
schmerzhafter Weg, der vom Universitäts-
vorläufer, dem Akademischen Gymnasium,
schließlich zur Universität führte. Über vie-
le Jahrzehnte zeigten die primär kaufmän-
nisch orientierten Bürger, die sogenannten
"Pfeffersäcke", mangelnde Finanzierungs-
bereitschaft.
1898 wurde ein Neubau für das Chemische
und Physikalische Staatslaboratorium an
der Jungiusstraße errichtet, bei dem 2/3
auf die Chemie und 1/3 auf die Physik
entfielen.
1892 war auf dem gleichen Gelände wegen
der in Hamburg grassierenden Cholera-
1...,41,42,43,44,45,46,47,48,49,50 52,53,54,55,56,57,58,59,60
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