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Modellierung von Umgebungseinflüssen in
quantenchemischen Rechnungen
Eine der häufigsten Vereinfachungen in
der Computerchemie ist die Vernach-
lässigung der Umgebung, also z.B. des
Lösungsmittels, der Kristallnachbarn oder
eines Proteingerüsts. Da uns der Einfluss
der Umgebung auf die spektroskopischen
Eigenschaften eines Moleküls interessiert,
ist in diesem Fall diese Vereinfachung nicht
möglich. Damit der Rechenaufwand für
unsere Untersuchungen nicht zu groß wird,
haben wir die Methode der polarisierbaren
Einbettung mitentwickelt. Unser Ansatz be-
Arbeitskreis Theoretische und Computergestützte Chemie,
Institut für Physikalische Chemie und Zentrum für Bioinformatik
Leiter: Prof. Dr. Tobias Schwabe
Abb. 1: Die wichtigsten Schlagworte zur Forschung im AK als Wordle präsentiert.
Unser Arbeitskreis an der Universität Hamburg besteht seit September 2011. Wir sind derzeit
noch in einem bescheidenen Umfang mit einem Arbeitskreisleiter und einem wissenschaft-
lichen Mitarbeiter aufgestellt. Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung und
Evaluierung quantenchemischer Methoden. Dabei ist die Motivation für neue Methoden
vorrangig, neueWerkzeuge für eine effizientere Behandlung von chemischen Fragestellungen
zur Verfügung zu stellen bzw. deren Zugang überhaupt möglich zu machen. Neu entwickelte
Methoden bedürfen dabei selbstverständlich einer kritischen Überprüfung, um ihre Ein-
satzmöglichkeiten bestmöglich abschätzen zu können. Bei der Evaluierung von Methoden
konzentrieren wir uns aber nicht ausschließlich auf die Entwicklungen unserer Arbeitsgruppe.
Vielmehr gilt es, ebenso Ansätze anderer Forscher zu überprüfen. Hierzu bedarf es gleichfalls
einiger Fachkenntnis, um die Stärken und Schwächen einer neuen Methode richtig einordnen
zu können. Solche unabhängigen Untersuchungen sind wichtig, um eher anwendungsori-
entierten Forschern der Computerchemie eine Hilfestellung bei der Methodenwahl zu geben
bzw. auf Problemfälle hinzuweisen. Abbildung 1 soll einen Eindruck unserer Themenschwer-
punkte vermitteln.
Im Folgenden sollen aber vor allem die Arbeiten zur Methode der polarisierbaren Einbettung
sowie zu den Doppelhybrid-Dichtefunktionalen vorgestellt werden.
steht darin, zunächst das Molekül in seiner
Umgebung mit einer klassischen Molekül-
dynamik (MD) zu beschreiben und daraus
mehrere repräsentative Schnappschüsse
zu extrahieren. In einem anschließenden
Schritt wird für jeden dieser Schnappschüs-
se ein Modell aus quantenmechanischer
(QM) und klassischer molekülmechanischer
(MM) Betrachtung erstellt, was als QM/
MM-Ansatz bezeichnet wird.
In den Standard-QM/MM-Ansätzen sind die
Partialladungen der Umgebungsmoleküle
fix, weshalb keine Rückkopplung zwischen
den beiden Teilsystemen beschrieben wird.
Die Rückkopplung ist aber wichtig zur ge-
nauen Beschreibung von spektroskopischen
Eigenschaften. Um eine wechselseitige
Kopplung zwischen QM- und MM-Teilsys-
tem erreichen zu können, ist die Metho-
de der polarisierbaren Einbettung (PE)
entwickelt worden. Dabei werden durch die
Polarisierbarkeit der klassischen Atomzen-
tren Dipolmomente induziert, die für die
notwendige Rückkopplung sorgen. Die PE
ist somit eine Erweiterung der Standard-
QM/MM-Ansätze.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Atome im
klassischen Bereich nicht nur durch ihre
Punktladungen und ihre Polarisierbarkeit,
sondern auch durch höhere Multipolmo-
mente beschrieben werden. Die Werte
hierzu müssen dabei nicht aus empirischen
Daten gewonnen werden. Vielmehr lassen
sie sich direkt aus quantenmechanischen
Berechnungen gewinnen. Diese höhere
Unabhängigkeit vom Experiment erlaubt
eine flexiblere Modellierung ganz unter-
schiedlicher Umgebungen. Die Methode ist
sowohl mit dem Ansatz der Dichtefunktio-
naltheorie, der heutigen Standardmethode
der Computerchemie sowie mit den noch
genaueren Coupled-Cluster-Verfahren
kombinierbar. In einer ersten Studie konnte
gezeigt werden, dass mit diesem Ansatz die
experimentellen Daten zur Solvatochromie
von Aceton in den Lösungsmitteln Wasser,
Methanol, Acetonitril und Tetrachlorme-
than sehr genau reproduziert werden
können.
Darüber hinaus erlaubt die Methode ein
Proteingerüst zu modellieren und lässt sich
daher analog auf Fragestellungen der Spek-
troskopie von Biomolekülen anwenden. So
konnte z.B. gezeigt werden, dass der expe-
rimentell bestätigte sehr geringe Einfluss
auf die Absorption des Chromophors im
Photoactive Yellow Protein
(PYP) nicht auf
eine zu vernachlässigende Interaktion mit
dem Protein, sondern auf sich gegenseitig
aufhebende physikalische Effekte zurückzu-
führen ist. Ein wesentlicher Bestandteil ist
dabei die Rückkopplung zwischen Chromo-
phor und Protein, so dass die PE-Methode
entscheidend für eine korrekte Berechnung
gewesen ist. Weiter konnte unsere Arbeits-