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systeme - M
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“ (SFB 986) entwickeln wir in
enger Zusammenarbeit mit der Tech-
nischen Universität Hamburg-Harburg
(TUHH) und dem Helmholtzzentrum
Geesthacht Methoden zur Herstellung
neuartiger, hoch belastbarer Werkstoffe.
Inspiriert vom Aufbau natürlicher Bio-
mineralien, sind diese Werkstoffe hier-
archisch aufgebaut. Den Grundbaustein
der untersten Hierarchieebene bilden
Nanopartikel, beispielsweise aus TiO
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und
Fe
2
O
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, die in unserem Labor in unterschied-
lichsten Formen, z.B. als sphärische Parti-
kel, Stäbchen oder Plättchen, synthetisiert
werden (Abb. 4)
Sie verleihen demWerkstoff Härte und
Kratzfestigkeit, wie sie sonst von kera-
mischen Festkörpermaterialien bekannt
sind. Durch die Compoundierung der
Partikel mit speziellen Polymeren wird das
Material außerdemmit der Formbarkeit
und Stoßfestigkeit metallischer Werkstoffe
ausgestattet. Hierfür ist es notwendig,
dass die Oberfläche der Nanopartikel mit
funktionellen Gruppen versehen wird, die
die kovalente Anbindung des Polymers
bewirken und somit eine dreidimensional
vernetzte Gefügestruktur erzeugen. Durch
die so ermöglichte Kombination völlig
unterschiedlicher Materialeigenschaften
werden ganz neuartige Anwendungen rea-
lisierbar, z.B. kratzfeste Beschichtungen von
Smartphone-Displays oder ultraleichte und
dennoch hochstabile Flugzeugflügel.
In einem weiteren Teilprojekt des SFB 986
beschäftigen wir uns mit der Präparation
von Nano- und Mikropartikeln für den Auf-
bau hitzebeständiger, photonischer Mate-
rialien. Als hoch effektive Wärmedämmbe-
schichtungen könnten solche Materialien
beispielsweise die Lebensdauer von Kraft-
werksturbinen erheblich verlängern. Oder
sie lassen sich in thermophotovoltaischen
Anlagen nutzen, umWärmestrahlung,
die bei vielen Prozessen bisher ungenutzt
verloren geht, mit hoher Effizienz in Strom
umzuwandeln. Um solche Anwendungen
jedoch realisieren zu können, müssen die
von uns präparierten Partikel einige ganz
besondere Eigenschaften aufweisen. Für
den Aufbau geordneter photonischer
Strukturen sind beispielsweise nur Partikel
geeignet, die eine extrem enge Größen-
verteilung aufweisen. Außerdemmuss es
möglich sein, die optischen Eigenschaften
der Partikel für spezielle Anforderungen zu
optimieren, z.B. durch einen zwiebelartigen
Aufbau, bei demmit jeder Schale der Bre-
chungsindex variiert wird. Darüber hinaus
müssen die Partikel Betriebstemperaturen
von über 1200 °C unbeschadet überstehen.
Um diese extremen Anforderungen zu
erfüllen, konzentrieren wir uns einerseits
auf die Entwicklung neuer Verfahren zur
Synthese monodisperser ZrO
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-Nano und
-Mikropartikel, die zur Steigerung ihrer
thermischen Belastbarkeit mit verschiede-
nen Metallionen dotiert werden. Diese Par-
tikel werden derzeit von unseren Partnern
an der TUHH zum Aufbau photonischer
Wärmedämmbeschichtungen genutzt.
Andererseits haben wir ein Verfahren
entwickelt, mit dem es gelingt, metallisch-
dielektrische Nanopartikel zu erzeugen. Sie
sollen nun die Herstellung photonischer
Absorber für hoch effiziente thermophoto-
voltaische Zellen ermöglichen.
Nanopartikel in der Medizin
Seit etwa 10 Jahren ist einer der Forschungs-
schwerpunkte der Gruppe die Anwendung
von Nanopartikeln in der Medizin und
Biologie. Hierbei geht es einerseits darum,
verbesserte Kontrastmittel zur frühzeitigen
Diagnose von Erkrankungen und zur Visua-
lisierung molekularbiologischer Prozesse zu
entwickeln und andererseits Medikamente
zielgerichtet an den Ort der Erkrankung zu
transportieren. Zum Einsatz kommen im
wesentlichen fluoreszente Halbleiternano-
kristalle und Nanoteilchen aus Gold und
superparamagnetischem Eisenoxid. Diese
Partikel lassen sich besonders gut mit mo-
dernen optischen Mikroskopen bzw. in der
Röntgen- oder Kernspintomographie nach-
weisen. Neben der Optimierung der Partikel
in Hinblick auf deren optische und magneti-
sche Eigenschaften stehen die Entwicklung
einer geeigneten biokompatiblen Hülle und
die Anbindung spezifischer biologischer
Liganden im Zentrum der Forschungsaktivi-
täten. Die Umhüllung der Partikel soll dafür
sorgen, dass die Teilchen beim Einbringen
in den Körper nicht gleich vom Immunsys-
tem erkannt und metabolisiert werden,
und die Bioliganden sollen ein Anbinden an
bestimmte Zellen und ggf. eine nachfolgende
Zellaufnahme ermöglichen. Besonders im
Bereich der Umhüllung der Partikel mit einer
Art Tarnkappe für das Immunsystem sind
in den letzten Jahren große Erfolge erzielt
worden, und es geht jetzt in verstärktem
Maße darum, wie man die biologisch aktiven
Liganden so selektiv an die Partikel anbinden
kann, dass sie ihre volle Funktionsfähigkeit
erhalten. In Zusammenarbeit mit zahlreichen
forschenden Gruppen des Universitätskran-
kenhauses Eppendorf werden präklinische
Tests durchgeführt, die bereits zu neuen
Ansätzen in der Diagnostik von Fettstoff-
wechselerkrankungen und der Behandlung
von Multipler Sklerose geführt haben.
Abbildung 4: TiO
2
und Fe
2
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Nanopartikel unterschiedlicher Formen.
Abbildung 5: Schematische Darstellung einer Nanokapsel, die auf einer Zelloberfläche andockt